„Auch fällt mir eine „kindliche“ Ressource ein. Ich bin als Kind gerne gehüpft, wenn ich mich gefreut habe. Ich nutzte diese Bewegungen manchmal, um eben dieses Gefühl von Freiheit, Freude und Leichtigkeit wieder aufleben zu lassen.“
Der gleiche Stressor kann für den einen eine Bedrohung darstellen und für den anderen eine Herausforderung. Zudem besitzt jeder Mensch unterschiedliche persönliche und soziale Ressourcen, die in der zweiten Bewertung eingeschätzt und in die Bewältigung integriert werden. Die Selbstwirksamkeit, also das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen, spielt dabei eine große Rolle (Rusch, 2019, S. 66–67). Je öfter wir diese Prozesse durchlaufen – oder in unserem Leben schon durchlaufen haben – desto mehr beeinflusst dies, wie wir mit zukünftigem Stress umgehen. Wir passen Strategien an und lernen aus den bisherigen Erfahrungen (Diegelmann, Isermann & Zimmermann, 2020, S. 159) und bauen im besten Falle unsere persönlichen und sozialen Ressourcen aus. Doch was bedeuten nun genau persönliche und soziale Ressourcen?
Der Begriff Ressource wird in verschiedenen Kontexten und von verschiedenen Autoren unterschiedlich verwendet und definiert. Nestmann (1997, S. 23) bietet eine sehr breite Definition an: „Letztlich alles, was von einer bestimmten Person in einer bestimmten Situation wertgeschätzt wird oder als hilfreich erlebt wird, kann als eine Ressource betrachtet werden.“ Petermann und Schmidt (2009) bezeichnen Ressourcen dagegen als aktuell verfügbare – also weder anderweitig gebundene, noch nicht mehr oder noch nicht verfügbare – Potenziale, die die Entwicklung unterstützen. Weiterhin beschreiben sie, dass sich Ressourcen über die Lebensspanne umso besser entwickeln, je ausgewogener das Verhältnis von Anforderungen und Möglichkeiten ist und je erfolgreicher gestellte Aufgaben bewältigt werden. Gemeisterte Herausforderungen lassen neue Kompetenzen entstehen und damit neue Ressourcen generieren. Ressourcen stehen dadurch mit Alltagsanforderungen und im größeren Kontext mit Entwicklungsaufgaben in Beziehung (Petermann & Schmidt, 2009). Der umfassendste Versuch einer Definition von Ressourcen stammt von Grawe und Grawe-Gerber (1999, S. 66): „Als Ressource können jeder Aspekt des seelischen Geschehens und darüber hinaus der gesamten Lebenssituation eines Patienten aufgefasst werden, also z. B. motivationale Bereitschaften, Ziele, Wünsche, Interessen, Überzeugungen, Werthaltungen, Geschmack, Einstellungen, Wissen, Bildung, Fähigkeiten, Gewohnheiten, Interaktionsstile, physische Merkmale wie Aussehen, Kraft, Ausdauer, finanzielle Möglichkeiten sowie seine zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Gesamtheit all dessen stellt, aus der Ressourcenperspektive betrachten, den Möglichkeitsraum des Patienten dar, in dem er sich gegenwärtig bewegen kann, oder anders ausgedrückt, sein positives Potential, das ihm zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse zur Verfügung steht.“ Damit wird ein weiter Blick auf verschiedenste hilfreiche und positive Ressourcen gelegt, die aktiviert werden können und sollten, um eine Förderung des vorhandenen Potentials und korrektiver Erfahrungen zu unterstützen, um zu einem verbesserten Wohlbefinden zu gelangen.
Im Bereich der Psychoonkologie, einer interdisziplinären Fachrichtung, um Patienten und Angehörige im Umgang mit den psychosozialen Herausforderungen einer Krebserkrankung zu unterstützen, werden Ressourcen unter dem Gesichtspunkt von Wohlbefinden, positiven Emotionen und Resilienz im Kontext von Belastungsbewältigung und Störungstoleranz betrachtet und gefördert. Eines der Ziele in der psychoonkologischen Beratung ist es also von Anfang an, bei dem Patienten nach vorhandenen Ressourcen zu schauen, sie zu fördern und zu verstärken. Dazu gehört auch eine gezielte Suche und Anwendung von positiven Emotionen, die die Denk- und Handlungsfähigkeit eines Menschen erweitern können, denn sie wirken vor allem in Richtung Wohlbefinden und Stärkung in den Dimensionen intellektuelle, physiologische, soziale und psychologische Ressourcen (Diegelmann, Isermann & Zimmermann, 2020). Die Positive Psychologie erforscht seit Längerem u. a. die Auswirkungen von positiven Emotionen auf die psychische und physische Gesundheit und vor allem Fredrickson (2011) hat mit ihrem Modell der broaden-and-build-theory gezeigt, dass Resilienz und Wohlbefinden durch die bewusste Beschäftigung mit positiven Emotionen gesteigert werden können. Diese wollen wir an späterer Stelle in diesem Buch noch näher erläutern.
Auszug aus dem Buch „Mit der Angst an der Hand und der Hoffnung im Rucksack – Ein ressourcenorientierter Wegbegleiter für Menschen, die eine schwere Krankheit erleben“ (von Ursula Bastänier und Janine Mertens, Erscheinungsdatum im Jahr 2023)
Kapitel 1 des Buches – Resilienz (Teil 1) – finden Sie hier
Kapitel 2 des Buches – Ressourcen (Teil 1) – finden Sie hier